A): Sag mal das Jahr 2002, was is denn das für’n Jahr?
B): Dämliche Frage! Das ist das zweite Jahr im dritten christlichen Jahrtausend, das Jahr 1422 bei den Muslimen jedenfalls bis Mitte März, das Jahr 5762 bei den Juden, jedenfalls bis Anfang September, bei den Chinesen das Jahr des Pferdes nach dem Jahr der Schlange …
A): Nee, so mein ich das doch nicht, wem ist denn das Jahr gewidmet?
B): Wie bitte? Gewidmet? Also George Bush und Gerhard Schröder widmen es der Terrorbekämpfung, die Kerntruppe der Europäischen Union dem Euro die Wirtschaft dem Selbstmitleid, die Arbeitslosen der Verzweiflung, die CDU dem einsamen Kanzlerkandidaten oder der tragischen Kanzlerkandidatin, Kurt Biedenkopf dem schleichenden Achtungsverlust, die PDS dem Widerspruch, Stefan Heyms Jahr ist es gemeiner weise nicht mehr, aber Du widmest es dem Geldverdienen und ich dem Sex.
A): Du dem Sex? Übernimm Dich nur nicht!
B): Nicht mehr als die Anderen!
A): Ich meine, wir hatten schon das Jahr des Kindes, des Baumes, der Alten, der Behinderten, der Frauen …
B): Ach so. Ich weiß nicht, ob wir so gesehen überhaupt ein Neues Jahr haben. Da gibt es ja gern das Jahr der aussterbenden Gattung, vielleicht das Jahr des Gewerkschaftsmitgliedes?
A): Doch, dies ist ein besonderes Jahr, das Jahr von gender-mainstreaming!
B): Was ist denn das?
A): Das ist, wenn in der Gewerkschaftssitzung Alle laut aufstöhnen. Und wenn man bei allem immer an das Geschlecht denkt.
B): Bei allem und immer? Na ja bei fast Allem und ziemlich immer kann ich gut verstehen. Und dem ist das Jahr gewidmet?
A): Das ist typisch. Du denkst natürlich sehr männlich. Aber gender-mainstreaming bedeutet, daß du die Gleichstellung von Männern und Frauen nie aus den Augen verlierst.
B): Ja glaubst Du denn, Frauen denken nicht auch bei fast Allem und ziemlich immer.
A): Schluß mit dem Blödsinn. Gleichstellung muß einfach selbstverständlich werden, quantitativ, beim Einsatz der Mittel und zur Veränderung des „Ist-Zustandes“. Schluß mit den gleichgeschlechtlichen Zusammenrottungen!
B): Da bist Du aber nicht im mainstream. Gleichgeschlechtlich ist in. Bist Du denn nicht dafür, daß Schwule und Lesben sich eintragen lassen können, heiraten ist ja vielleicht nicht das richtige Wort.
A): Ich bin dafür, daß Homosexuelle heiraten. Aber ich bin gegen gleichgeschlechtliche Machtverhältnisse. Die größten Stecher werden immer noch zickig, wenn eine Frau den Cheffinnensessel besteigen will.
B): Wie Du das sagst!
A): Nur bei gender geht es nicht um Sex. Da geht es um das soziale Geschlecht! Kein Geschlecht darf über das andere Geschlecht Herrschaft ausüben! Was wir wollen ist Geschlechterdemokratie von gendersensiblen Persönlichkeiten mit Gender-Perspektive.
B): Oh, heilige Agenda! Bald darf ich – nur weil ich ein Mann bin – nicht mal mehr Herrschaft ausüben, was kann ich denn sonst?
A): Richtig: Nur weil Du ein Mann bist, hast Du noch lange nicht das Recht, Herrschaft auszuüben. Falsch: Nur weil Du ein Mann bist, mußt Du noch lange nicht darauf verzichten, Herrschaft auszuüben, wenn wir das Alle mehrheitlich wollen. Also: Lerne sicherheitshalber einen anständigen Beruf.
B): Praxishelfer, Geburtshelfer Hauswirtschafter oder Büroherr!
A): Sehr richtig, warum nicht. Ein Haufen Männer wär froh, wenn Sie da Arbeit bekämen. Auch das ist „gendersensibel“.
B): Damit sie den Frauen auch noch diese Arbeit wegnehmen.
A): Kein Problem, wenn Ihr genügend technische Arbeitsplätze hergebt.
B): Die reinste Genderitis!
A): Gender-Muffel!
B): Gendersensibelchen!
A): Gender-Ignorant! „Ehret die Frauen, … “ Ein Glied von Schillers Locke
B): Das nimmst Du zurück. Was bedeutet denn die Einführung des Euro unter „gender-mainstreaming-Aspekten“?
A): Die Markt geht und der Euro kommt. Das Wortgeschlecht von Geld ist mir egal. Aber Männer haben immer noch mehr Geld als Frauen. Es wird auch immer noch mehr Geld für Männer als für Frauen ausgegeben.
B): Und von Männern als von Frauen. Das stimmt.